Praxisbeispiele

Mit JMD Respekt Coaches aus der Geschichte lernen

Projektfahrt aus Neumünster zur Gedenkstätte Bergen-Belsen

Was lernen wir aus der Vergangenheit? In mehrtägigen Projektfahrten zur Gedenkstätte Bergen-Belsen beschäftigten sich Jugendliche des JMD-Programms Respekt Coaches in Neumünster mit Antisemitismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Diskutiert wurde auch die Frage, wie sie selbst aktiv gegen Diskriminierung angehen können.

Mehrere junge Personen stehen vor einem Zugwaggon.
An einigen Stationen der Gedenkstätte wurden eindringliche Zeitzeugenberichte vorgelesen.

Im Seminarraum des Anne-Frank-Hauses in Hambühren-Oldau begann der erste Tag der Projektfahrt der Schülerinnen und Schüler aus Neumünster. Schon die Einführung machte die Schwere der Themen deutlich, mit denen sich die Jugendlichen die folgenden drei Tage beschäftigen würden. Die nationalsozialistische „Rassenlehre“, die in Etappen erlassenen Gesetze, die Enteignungen und Deportationen. „Die Jugendlichen hatten zwar in der Schule über Anne Frank gelesen, sind da aber nicht in die Tiefe gegangen. Bei der Einführung der Projekttage waren sie schockiert. Viele wurden sehr ruhig und nachdenklich“, erzählt Antigona Elmasry.

Die JMD-Mitarbeiterin am Standort Neumünster (Schleswig-Holstein) ist im Programm Respekt Coaches tätig und organisierte die dreitägige Projekt- und Bildungsfahrt zur Gedenkstätte Bergen-Belsen jeweils für die 8. und 9. Klasse ihrer Kooperationsschule. Seit 2019 können interessierte Schülerinnen und Schüler an der wöchentlichen AG „Religion und Ethik“ teilnehmen, die Elmasry selbst ins Leben gerufen hat. Projekte und Ausflüge sind Teil der AG, um den jungen Menschen einen praxisnahen Zugang zu den Inhalten anzubieten. „Die Themen rund um die Gedenkstätte Bergen-Belsen haben gut in den aktuellen Schulunterricht gepasst. Nach und nach hat sich dann die Idee entwickelt, nicht nur eine Aktion, sondern eine größere Projektfahrt zu organisieren“, so Elmasry.
 

Stationen, die nachdenklich machen

Am zweiten Tag der Projektfahrt besuchten die Jugendlichen die einzelnen Stationen des Geländes sowie die große Ausstellung. Zwei Mitarbeiter des Anne-Frank-Hauses begleiteten die Gruppe und erläuterten Hintergründe, an vielen Stellen wurden eindringliche Zeitzeugenberichte vorgelesen. „Die Schülerinnen und Schüler waren interessiert und haben viele Fragen gestellt“, erzählt die JMD-Mitarbeiterin. „Manchmal wussten sie aber auch gar nicht, was sie sagen sollten, weil es so absurd war.“ Eine der eindrucksvollsten Stationen war für die jungen Menschen die Verladerampe, berichtet Elmasry. An der Bahnrampe kamen die KZ-Häftlinge an und mussten von dort aus, schwach und ausgehungert, sechs Kilometer zu Fuß ins Lager marschieren.

Traurig und nachdenklich stimmten die Schülerinnen und Schüler zudem der Lageralltag und die unmenschlichen Bedingungen für die Insassen angesichts des Massensterbens durch Hunger und Seuchen sowie des verzweifelten Kampfes ums Überleben im KZ.

Nach der Exkursion gab es ein Abschlussgespräch, in dem die Stationen und die Ausstellung noch einmal besprochen wurden. Auch ein Fragebogen, den die Jugendlichen im Verlauf des Tages ausfüllen sollten, wurde ausgewertet. Abschließend konnten sie einen Stein an die Station legen, die sie persönlich am meisten beschäftigt hat.

 

Personen stehen vor einer Grabstätte.

Die Exkursion sorgte für viele Fragen, machte die Jugendlichen aber auch nachdenklich.

 

Von gestern für heute lernen

Für Antigona Elmasry war wichtig, dass die Jugendlichen die Themen in den heutigen Kontext setzen lernen und vielseitig sensibilisiert werden. Am dritten Tag der Projektfahrt ging es daher um verschiedene Formen von Diskriminierung. Mitarbeiter des Anne-Frank-Hauses Moritz Thies leitete den Workshop. In Kleingruppen beschäftigten die Schülerinnen und Schüler sich mit Antisemitismus, Diskriminierung von Sinti und Roma, mit Diskriminierung aufgrund von Behinderung, Rassismus und Sexismus. Sie bearbeiteten Texte und erstellten Plakate, die sie in der Gruppe präsentierten. Im Anschluss diskutierten sie die Fragen: Was können wir aus der Vergangenheit lernen? Was können wir als junge Menschen heutzutage tun, um aktiv gegen Diskriminierung anzugehen? Hier brachten die jungen Menschen Ideen ein wie: Selbstreflexion und sich Wissen aneignen, sich in Situationen einmischen, in denen Menschen diskriminiert werden, und sich für Betroffene einsetzen.

„Das haben die Jugendlichen richtig gut gemacht. Es wurden viele Impulse gesetzt, die dazu angeregt haben, über uns als Gesellschaft nachzudenken, über gesellschaftliche Gruppen und Rechte von Bürgerinnen und Bürgern. Vor allem haben wir den Bogen gespannt zu Zivilcourage. Ein Thema, dass die Schülerinnen und Schüler selbst gerne vertiefen wollen und das später auch in den Klassen behandelt werden soll“, erzählt die JMD-Mitarbeiterin zufrieden.
 

Positive Auswirkungen auf die Klassengemeinschaft

In einer abschließenden Feedbackrunde gaben die Jugendlichen an, dass sie viel gelernt und die Projektfahrt gerne verlängert hätten, um sich noch umfangreicher mit den Themen zu beschäftigen. Positive Auswirkungen habe die Fahrt auch auf die Klassen insgesamt gehabt. „Für das Klassenklima war das total gut, weil viele zusammengekommen sind und zusammengearbeitet haben, die sonst nichts miteinander zu tun haben“, so Elmasry. Nach jeweils drei intensiven Tagen fühlten sie sich als Gemeinschaft gestärkt.  

Trotz hohen organisatorischen Aufwands habe sich die Projektfahrt also gelohnt, ist sich Antigona Elmasry sicher. Die Themen werde sie in ihrer AG aufgreifen und weiterhin eng mit den Lehrkräften der Kooperationsschule zusammenarbeiten, um relevanten Themen den nötigen Raum zu geben.

Eindrücke von der
Projektfahrt

Ein Beitrag von:
JMD Neumünster / Servicebüro Jugendmigrationsdienste
Veröffentlicht: 15.02.2022

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