Praxisbeispiele

Austausch, Unterstützung und Kreativität in der Mädchen*-AG in Bonn

Seit 2019 gibt es die Mädchen*-AG #mitmischen im Programm Respekt Coaches in Bonn/Bad Godesberg. Die AG-Treffen, die zurzeit digital stattfinden, sind ein wichtiger Raum für Austausch. Gespräche und gemeinsame Projekte geben den Mädchen Kraft und stärken sie in ihrer Persönlichkeit. So auch das im Sommer 2020 produzierte Musikvideo über Schönheitsideale.

Drei junge Mädchen vor einer Graffiti-Wand.
„Bewerten, kritisieren, über mich urteilen? Ich muss nur mir selbst gefallen!“, erklären die Mädchen in ihrem Musikvideo „Wie ich bin“.

Schönheitsideale, Bodyshaming, Selbstliebe und -kritik. Es sind Themen, die immer wieder aufkommen in der Mädchen*-AG #mitmischen des Jugendmigrationsdienstes (JMD) Bonn/Bad Godesberg, die 2019 von den Respekt Coaches Lillian Mettler und Kerstin Gröger ins Leben gerufen wurde. Seitdem wurden mit den Teilnehmerinnen unter anderem Workshops zu Selbstwirksamkeit, Grenzen in Beziehungen oder sexualisierter Gewalt durchgeführt. Ceylin, Aleyna und Karina bilden seit dem letzten Jahr die feste Gruppe der AG. Alle drei sehen sich einem hohen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, bestimmten Ansprüchen und Erwartungen gerecht zu werden, mit denen sie durch Medien und ihr direktes soziales Umfeld konfrontiert werden.

Die Neuntklässlerinnen gehen reflektiert mit dem Thema um, wissen, dass sie sich nicht vorschreiben lassen müssen, wie sie auszusehen oder sich zu kleiden haben. Und dennoch sind die Selbstzweifel da und begleiten sie in ihrem Alltag. „Ich bin nicht gut genug, meine Nase muss schmaler sein, meine Oberschenkel sind zu dick. Wir denken tagtäglich so“, erzählt die 15-jährige Karina. „Und wir wissen ganz genau, dass wir damit nicht alleine sind oder eine kleine Gruppe, sondern dass ganz viele so denken.“ Anderen Menschen Mut machen und ihnen sagen, dass sie nicht alleine sind, diese Botschaft wollten die Mädchen nach außen tragen.


Eigeninitiative von der Idee bis zum fertigen Song

Entstanden ist ein aufwendig produziertes Musikvideo, das vor allem durch die hohe Eigeninitiative der jungen Frauen realisiert werden konnte. Angefangen bei der Ideenentwicklung haben sie es von Beginn an selbstbestimmt gestaltet. So haben sie eine Künstlerin per Videobotschaft eingeladen, um mit ihnen eine Choreographie einzustudieren, Straßenumfragen durchgeführt, Texte geschrieben, eingesungen und gerappt. All das haben sie in nur fünf Tagen im Corona-Sommer 2020 geschafft und mussten dabei einige persönliche Hürden überwinden: „Wir haben in der Öffentlichkeit gedreht, die Leute haben geguckt, das war schon eine Überwindung. Und dann zu rappen und zu singen und unsere eigenen Stimmen zu hören, dazu mussten wir uns auch überwinden“, berichtet Karina. „Ich habe das alles zum ersten Mal gemacht.“

In ihrem künstlerischen Prozess wurden sie von dem Verein VINA e.V. begleitet. Die Respekt Coaches des JMD standen ihnen als pädagogische Beraterinnen und Impulsgeberinnen zur Seite. „Wir haben die Mädchen durch verschiedene Methoden beim Brainstorming unterstützt, zum Beispiel mit Schreibgesprächen und Assoziationsspielen. Größtenteils wurde auf Methoden aus der Empowerment-Arbeit, aus Ansätzen der Jugendpartizipation und der Kompetenzentwicklung zurückgegriffen“, erklärt Respekt Coach Lillian Mettler. „Die Mädels waren mit einer so großen Motivation dabei. Es war schön zu sehen, wie wir nur ein bisschen was reingegeben haben und alles andere von ihnen selbst organisiert, geplant und gemacht wurde.“

 

Mit ihrem Beitrag erreichten die Mädchen den 3. Platz beim JMD-Wettbewerb #coronamachtkreativ.


Botschaft für alle Menschen

Das Engagement hat sich gelohnt. Mit ihrem Beitrag wurden die Mädchen und die Respekt Coaches des JMD mit dem 3. Platz beim Wettbewerb der Jugendmigrationsdienste #coronamachtkreativ ausgezeichnet und erhielten einen Gutschein im Wert von 1.000 Euro.

Das Projekt selbst habe dazu beigetragen, bei den Teilnehmerinnen einen Prozess anzustoßen und Selbstakzeptanz aufzubauen, so Lillian Mettler. Mit dem entstandenen Musikvideo fungieren sie außerdem als Multiplikatorinnen und Inspiration für andere Jugendliche und tragen dazu bei, sie in ihrem Selbstwert zu stärken. Einerseits soll der Song Mädchen ermutigen, sich von frauenverachtenden Diskursen und Ideologien zu distanzieren. Andererseits, betont Karina, wollen sie sich mit dem Video nicht ausschließlich an junge Frauen wenden. „Viele Jungs und Männer haben auch Probleme mit sich. Deswegen richtet sich das Musikvideo an alle Menschen.“


Treffen digital aufrechterhalten

Die Zeit während des Projekts haben die drei sehr genossen. Für Karina war das Schönste, dass sie während der Corona-Pandemie überhaupt Zeit mit anderen Leuten verbringen konnte. Zurzeit bleiben persönliche gemeinsame Treffen aus. Um den Kontakt trotzdem aufrechtzuerhalten, findet die AG in Form von informellen Treffen digital statt, berichtet Respekt Coach Kerstin Gröger: „Natürlich sind alle mittlerweile ein bisschen müde von Videokonferenzen, aber es ist wichtig, um den Raum aufrechtzuerhalten, zum Beispiel für persönliche Anliegen oder Überforderung in der Schule da zu sein und zuzuhören.“ Auch da momentan die Lehrkräfte an den Schulen oft nicht ausreichend als Ansprechpersonen zur Verfügung stünden, sehen die Respekt Coaches den dringenden Bedarf für Austausch.

Karina bestätigt die Wichtigkeit der Treffen: „Das zeigt mir jedes Mal, dass ich nicht alleine bin mit meinen Gedanken. Es gibt immer jemanden, der auch so denkt und ähnliche Probleme hat. Das nehme ich jedes Mal mit.“ Auch wenn Gespräche über den Bildschirm derzeit eine erforderliche Alternative sind, freuen sich alle Beteiligten darauf, wieder persönlich zusammenzusitzen und Ideen für neue Projekte zu brainstormen.

 

 

 

Ein Beitrag von:
Servicebüro Jugendmigrationsdienste / Fotos: JMD Bonn/Bad Godesberg und V.I.N.A. e.V.
Veröffentlicht: 26.02.2021

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